© Dr. Marie Luise Doblhofer

Strategien zur Bewältigung von Schulangst

Schulängste

Angst gehört zum Leben und hat eine wichtige Funktion, Kinder ohne Angst haben kein Warnsystem, können Risiken nicht einschätzen und sind damit eindeutig verhaltensauffällig.

Leider ist aber vielen Kindern die Angst im Umfeld Schule ein Problem. Neuesten Forschungen zufolge leidet jeder 5.Schüler an Schulangst, das sind 20% der Schüler. Dass Schulprobleme nicht mit Beendigung der Schullaufbahn aufhören, zeigt sich immer wieder in der Beratung und Therapie von Erwachsenen mit Langzeitfolgen der schulischen Traumata.

Mädchen leiden wesentlich öfter an Schulangst als Buben. Das hängt möglicherweise mit den Rollenerwartungen unserer Gesellschaft zusammen: So sprechen Mädchen häufiger über ihre (sowohl positiven als auch negativen) Gefühle, zeigen sie auch deutlicher und haben (zusammen mit ihren Müttern) eine niedrigere Hemmschwelle, eine Beratung aufzusuchen als Burschen („Indianer kennt keinen Schmerz“, „Cool bleiben“, „Softy“; die falsche Einstellung, sich Unterstützung holen heißt Gesichtsverlust)

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Erkennung von Schulangst

Kein Kind ist wie das andere, kein Umfeld gleicht dem anderen, deshalb sind die Symptome für Schulangst nicht nur von Kind zu Kind verschieden, sondern können auch in Zusammenhang mit anderen seelischen Belastungen auftreten (z.B. Scheidung, Tod, Umzug etc) weshalb die individuelle Situation zuerst einmal medizinisch, dann psychologisch abgeklärt werden sollte. Hier die häufigsten Symptome:

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*Schmerzen im Bauch- und Magenbereich, Übelkeit und Erbrechen und damit verbunden Gewichtsschwankungen, Essstörungen

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*Andauernde Müdigkeit bis hin zur Erschöpfung und als Folge davon Konzentrations- und Lernstörungen

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*Schlafstörungen, Alpträume

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*Verhaltensauffälligkeiten: Trödeln, um den gefürchteten Gang zur Schule hinauszuschieben, Aggressionen, Depression, Nägelkauen, Bettnässen, Einkoten; totale Schulverweigerung.

 

Die Diagnose zeigt folgende Ursachen:

*Reale Schulangst durch Überforderung: Hier ist zuerst einmal das Gespräch mit der Klassenlehrerin angesagt.

Schlechtes Klassenklima durch Mitschülermobbing, gespanntes Verhältnis zu einem Lehrer; diese Probleme sollten thematisiert werden.

Isolation und Außenseitertum: kann auch mit dem Elternhaus zusammenhängen.

Schulwechsel: Das Vertrauen in die neue Schule ist noch nicht ausgeprägt.

Hier kann rasch Abhilfe geschaffen werden, wenn Eltern, Lehrer, Schüler und Berater (Psychologen, Therapeuten) eine für den Schüler positive Änderung gezielt anstreben.

*Schulverweigerung: Kann ihre Ursache in einer zu verwöhnenden bzw. zu vernachlässigenden Erziehungshaltung und der elterlichen und kindlichen Einstellung zu Leistung haben. Betroffene Kinder sind an der Schule uninteressiert, schwänzen, kommen mit altersadäquaten Belastungen nicht zurecht, haben niedrige Frustrationsschwelle und sind schwer zu motivieren auf Grund der unterschiedlichen Werte von Schule und Elternhaus.

Eine grundlegende Verhaltens- und Einstellungsänderung des Elternhauses und seiner Erziehung und vor allem die Zusammenarbeit mit der Schule können für den Schüler Richtlinien schaffen, die in ihrer Klarheit als erleichternd und Strukturen schaffend erlebt werden und für das Kind endlich Klarheit in eine verworrene Situation bringen. Wenn es einige wenige Regeln gibt, auf deren Einhaltung geachtet wird, kennt sich das Kind aus!

Kindern wird die Schule oft auch durch übermäßigen Druck der Eltern vermiest. Elterlicher Ehrgeiz, Leistungsdruck und ständige Aufforderung zum Lernen rauben den Kindern ein Stück Kindheit und können sie traumatisieren. Es ist eine heikle Angelegenheit für Lehrer, die sehr viel Fingerspitzengefühl erfordert, wenn das elterliche Fehlverhalten zum Wohl des Kindes korrigiert werden soll. Es sind aber auch die Eltern gefordert, die Begabungen ihres Kindes richtig einzuschätzen und vor allem das im Kind zu fördern, wozu ein gewisses Talent, aber auch Motivation und Disziplin aufgebracht werden können. Das setzt regelmäßige elterliche Betreuung und Einfühlung in die Kinder voraus.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass Ängste vor allem in der Volksschule durch nicht erkannte Teilleistungsschwächen, kombiniert mit überforderndem elterlichen Perfektionsstreben, lange unerkannt bleiben und dem Schüler das Leben schwer machen.

Schulängste nach der Volksschule ( Hauptschule, AHS, BHS,) werden ausgelöst durch soziale Probleme (z.B. Kontaktschwierigkeiten) und/oder entwicklungsbedingte Probleme (z.B. Pubertät).

Zu guter Letzt noch ein Wort zu den Lehrern selbst: Um als Pädagoge  tätig zu sein, bedarf es einer kritischen Hinterfragung des eigenen Elternbildes und des Lehrerbildes, das den Lehrer prägte, als er selber die Schulbank drückte. Wurden diese Bilder nicht bewusst reflektiert und einer kritischen Unterscheidung unterzogen, um Brauchbares von Unbrauchbarem oder gar Schädlichem, zumindest nicht Förderlichem, zu unterscheiden, übernimmt der Lehrer Erziehungsstile, die schon zu seiner Zeit Schaden angerichtet haben. Fragen, die eigenen Eltern und Lehrer betreffend, können sein: Welche der Verhaltensweisen von Eltern und Lehrern haben mir gut getan. mich gefördert, wo habe ich mich angenommen gefühlt? Was hat es in mir ausgelöst?

Welche Verhaltensweisen haben mir Angst gemacht, wo hab ich mich nicht angenommen und verstanden gefühlt? Welche Eigenschaften an meinen Eltern/ehemaligen Lehrern haben mir genützt, welche geschadet? Habe ich manche dieser Eigenschaften übernommen? Wie geht es mir als Lehrer, wenn ich mich in die Situation eines Schülers hineinversetze? Kann ich mein „Inneres Kind“ überhaupt noch spüren oder hat die Kruste der Konvention alles kindliche Empfinden in mir erstickt? ..... Da darf es keinen wundern, wenn viele alte Bilder noch immer wirksam sind!

*Schulphobie:

Hinter schweren Fällen von Schulangst und –verweigerung kann eine noch ungenügend vollzogene Trennung von der Bezugsperson ( in den meisten Fällen der Mutter) stecken.

Mutter und Kind ist es noch nicht gelungen, die Symbiose zu lockern, es ist noch ein großes Stück Ablösungsarbeit auf beiden Seiten notwendig.

Es kann aber auch ein schweres Schicksal in den Kindern die Angst vor dem Elternverlust auslösen (z.B. Tod eines Elternteils, Scheidung, bei der ein Elternteil wegzieht) und damit Schulangst evozieren.

Was wir rund um die Schulangst im Auge behalten sollten: Körperliche Symptome medizinisch abklären lassen, liegt kein eindeutiger Befund vor, scheuen Sie sich nicht, Pädagogen, Psychologen oder Therapeuten miteinzubeziehen, um Ihrem Kind die Schule wieder erträglich zu machen.

Das Pflänzchen „Leistung“ ist sehr empfindlich: Es will gehegt und liebevoll gepflegt werden, weder in einem Zuviel an Dünger ersticken, noch aus Unachtsamkeit oder Lieblosigkeit verhungern. Und der Topf darf nicht zu groß und nicht zu klein sein, haben Sie auch die richtige Erde gewählt? Verträgt das Pflänzchen pralle Sonne und Regen oder liebt es Schatten und muss im geschützten Raum überwintern? Möglicherweise haben Sie auch ein Pflänzchen, das auf ein Zuwenig oder Zuviel an Gespräch empfindlich reagiert, aber sehr sensibel auf ehrliche Worte?

Ihre Kinder lieben es, Leistungen zu erbringen und haben auch Freude daran, wenn sie behutsam dazu angeleitet werden und nicht jedes kleine Versagen zur großen Katastrophe hochstilisiert wird.