Vor vielen
hundert Jahren, als es noch Geister und Feen und Nixen gab, machte sich
der Hofstaat der Burgunder auf, einer Einladung des Hunnenkönigs Etzel in
sein Reich nach Ungarn zu folgen. Auf einem Weg entlang der Donau wollte
man ins ferne Hunnenland gelangen. Ungefährdet erreichte der Tross unter
Führung des Helden Hagen die Donau. Der Strom war hoch angeschwollen und
keine Brücke führte ans andere Ufer. Ratlos hielten die Reisenden vor
der reißenden Flut, Hagen aber ritt das Ufer entlang und suchte den Fährmann,
welcher ihm früher schon einmal über den Strom geholfen hatte.
Da
drangen plötzlich das Lachen und Singen schöner Mädchenstimmen an sein
Ohr. Leise schlich sich Hagen an und sah zu seinem Erstaunen drei Nixen
beim Bade. Es waren Schwanenjungfrauen, wie der Held an den weißen,
flockigen Gewändern am Weidenbusch erkennen konnte. Hurtig sprang er hin,
bemächtigte sich der Kleider und rief den Nixen zu: „Eure Gewänder
sollt ihr wieder haben, doch zuvor sagt mir, was mich und meine
Kampfgenossen an Etzels Hof erwarten wird!“ „Ehren und Freuden warten
auf Euch“, war die Antwort. Hocherfreut gab Hagen die Kleider zurück,
die Nixen aber nahmen ihr Federkleid und erhoben sich in die Lüfte.
„Wartet, ihr Schönen!“, rief Hagen, „Ich wünsch noch zu wissen, wo
ich den Fährmann finde.“ „Drüben in seiner Hütte“, antwortete
eine.
„Herr
Hagen“, rief darauf eine andere, „unsere Auskunft war falsch! Keiner
von euch wird die Heimat je wiedersehen, außer dem Priester, der den
Tross begleitet.“
Hagen
vernahm es mit Schaudern, doch machte er sich auf den Weg zum Fährmann.
Unter lautem Geschrei und Peitschenknallen wurden die Tiere auf die Fähre
geleitet. Dann gingen auch die tapferen Helden an Bord. Nach zehnmaliger
Überfahrt standen nur noch die Fürsten und ihr engstes Gefolge am Ufer.
Bei dieser letzten Überfahrt aber fasste Hagen einen grausamen
Entschluss: „Nun will ich prüfen, ob die Nixen mir die Wahrheit
geweissagt haben.“ Er riss den Priester aus seinem Sitze, schwang ihn
hoch und warf ihn über Bord. Mit Entsetzen sahen die anderen
den rasenden Hagen. Dann starrten alle dem Priester nach, der wohl
untergehen würde in den gefährlichen, reißenden Fluten. Aber die Helden
staunten nicht schlecht: Der Priester wurde von seinem weiten Gewand über
Wasser gehalten und trieb langsam dem rettenden Ufer entgegen. Bald stand
er auf festem Boden.
Hagen
verfolgte das Geschehen mit grimmigem Lachen. Den Reisegefährten aber erzählte
er, warum er den Priester in die Donau geworfen hatte. Und alle schwiegen
betroffen, nachdem sie die Unheil verkündende Prophezeiung der Nixen gehört
hatten.
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